Entscheidungsvermeidung - oder wie gehen wir mit unserer (Wahl)Freiheit um?

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Ein Phänomen auf das ich in meiner Coachingpraxis häufiger stoße, ist das Phänomen der Entscheidungsvermeidung. Und ich behaupte einfach mal, wenn dieses Phänomen dort häufig zu Tage tritt, dann kämpft wahrscheinlich die überwiegende Mehrheit von uns auch regelmäßig damit.

Aber ach, eigentlich ist kämpfen hier doch das falsche Wort. Eigentlich, kämpfen wir ja gar nicht damit. Wir lassen uns vielmehr davon einlullen. Fühlt sich dieser Mechanismus doch vordergründig ganz angenehm an. Er hat nämlich eine ganze Reihe angenehmer Begleiterscheinungen, die ihn so "populär" machen. Er verhindert nämlich, dass man die Verantwortung übernehmen muss, sie jetzt übernehmen muss - zumindest gaukelt er das vor - und er verhindert, dass man verzichten muss, dass man einige lieb gewonnene Träume begraben muss und sorgt dafür, das einem scheinbar alle Türen weiter offen stehen. Schön, nicht?

Und wenn ich schon gerade so schön beim Hypothesen schmieden bin: Wahrscheinlich bist du dir dessen noch nicht einmal bewusst - stimmt's? Hast du nicht gerade die Stirn gerunzelt? - Ein starkes Indiz dafür, dass ich recht habe 😉

Ein weiteres Indiz hierfür findet man ebenso wieder im Coaching. Dort sehe ich mich nämlich oft gezwungen mit sehr viel "List und Tücke" vorzugehen, um dem Klienten vor Augen zu führen, was er partout nicht sehen will, nämlich, dass er eigentlich genau weiß, was zu tun ist und dass er sich nur noch vor den Konsequenzen fürchtet, vor der Unbequemlichkeit, dem Neuem, vor dem Unberechenbaren und - vor der Verantwortung für das Ergebnis. Oder, dass er sich schlicht weigert, sich für eine Möglichkeit zu entscheiden, weil das ja in der Regel bedeutet, auf alle sonstigen Alternativen  zu verzichten.

Wir alle entwickeln von Zeit zu Zeit, einen enormen Erfindungsreichtum, wenn es darum geht, einer wichtigen Entscheidung aus dem Weg zu gehen und das vor uns selbst zu verbergen.

Dabei ist Entscheidungsvermeidung genau besehen eigentliche eine paradoxe Geschichte - eine sehr reale Illusion. Wir vermeiden dabei lediglich die bewusste und aktive Wahl, uns für oder gegen etwas zu entscheiden und die Verantwortung zu übernehmen und ignorieren geflissentlich die Tatsache, dass wir auch entscheiden, wenn wir nicht entscheiden, dass wir auch wählen, wenn wir nicht wählen. Dass wir eine Entscheidung so gesehen eigentlich gar nicht vermeiden können.

Statt aktiv, kreativ vorzugehen, entscheiden wir uns dazu passiv zu sein. Wir entscheiden uns dazu abzuwarten, alle Bälle in der Luft zu halten, zu verzögern, andere entscheiden zu lassen (und natürlich Anderen dann die Verantwortung aufzubinden). Bei Licht besehen heißt das, dass wir die "Opfervariante" wählen. Und so entscheiden die Anderen und die Zeit für uns …

Was dann oft in einer solchen Warteposition passiert, wird durch obiges Bild versinnbildlicht: Bing - irgendwo öffnet sich eine Tür. Und weil alles besser ist, als der Status quo, steigen wir ein, ohne groß nachzudenken. Kaum sind wir drin und die Tür hat sich geschlossen, bemerken wir, dass der Aufzug nach unten fährt, statt nach oben. Pech gehabt! - Pech gehabt? - Nein! - Nicht wirklich nachgedacht. Nicht definiert, was ich eigentlich wirklich will. Und nicht durchs CHANGE IT gegangen. Dazu muss man nämlich wissen, was man will. Einfach die nächstbeste Alternative genommen. 

Was wir aufgeben, wenn wir so agieren, ist nichts weniger als unsere persönliche Autonomie, und die Chance unsere Potentiale auszuschöpfen, sie zu leben.

Wenn deine Projekte im Moment stagnieren und du merkst, dass du Entscheidungen vor dir herschiebst, sei auf der Hut. Halte nach Roten Linien Ausschau. Der Weg zu Entfaltung und Wachstum ist oft da, wo die Angst ist. Dazu noch ein Zitat

Wo kämen wir denn hin, wenn alle sagten, "wo kämen wir denn hin“, und keiner ginge, um einmal zu schauen, wohin wir kämen, wenn wir gingen. - Kurt Marti

Dazu passt vielleicht auch folgende Empfehlung, die ich auf lohas.de gefunden habe:

"Sorge gut für Dich selbst! Wähle nicht, welche Politik Dein Leben bestimmt, sondern bestimme selbst für Dich! Wähle bewusst Deine Arbeit, wähle bewusst Deine Kleidung, wähle bewusst Deine Ernährung, wähle bewusst, was Du brauchst und besitzt! Misstraue den Entscheidungen anderer für Dein eigenes Leben, aber vertraue Deinen Entscheidungen für Dein Leben und vertraue den Entscheidungen anderer für ihr Leben. Der gegenwärtige Zustand ist lediglich ein Mangel an (Selbst)Vertrauen, bedingt durch die eigene Abgabe von Macht und Selbstbestimmung. Aufklärung behebt den Mangel, sie gibt uns die innere Freiheit und Lebensfreude zurück.“

In diesem Sinne ... schönes Wochenende.